Trekkingrucksack: Größe, Tragesystem, Ausstattungsmerkmale und falsche Werbeversprechen. Wie Du Deinen leichten Trekkingrucksack findest.
Auswahlkriterien
Wenn man sich die Hersteller-Beschreibungen von Trekkingrucksäcken ansieht dann könnte man meinen man bräuchte am besten alle möglichem angebotenen Features. Spätestens auf der ersten Tour spürt man dann aber das Gewicht der ganzen Optionen und stellt schnell fest dass man vieles davon eigentlich gar nicht braucht.
Rucksack-Größe
Bei der Wahl der richtigen Rucksackgröße hört man oft zwei Ansätze:
- Du suchst Dir die Rucksack-Größe im Vorfeld eher klein aus und optimierst Deine Ausrüstung bis sie in ihn rein passt.
- Du misst z.B. mit einem Müllsack aus welches Volumen Deine Ausrüstung hat und orientierst Dich für Deine Rucksack-Auswahl daran.
Beides hat Charme, aber keiner von den beiden wird Dich am Ende glücklich machen, denn mit das Wichtigste fehlt: das Volumen des Verbrauches.
Das richtige Rucksackvolumen setzt sich aus Ausrüstungsvolumen und Verbrauchsvolumen (Verpflegung, Wasser, Brennstoff) zusammen.
Das Ausrüstungsvolumen kannst Du wie oben beschrieben recht einfach ausmessen. Beim Verbrauch darfst Du Dir gut überlegen wie viele Tage Du autark unterwegs sein willst, denn gerade Lebensmittel machen schnell einen Großteil im Rucksack aus.
Als Faustregel orientiere ich mich an folgenden Größen inkl. Verpflegung mit Trekkingnahrung:
- 32l:
- ca. 2-3 Tage autark bei ultraleichtem Basisgewicht (< 5kg)
- eine Woche bei Hüttentouren (Abendessen auf der Hütte)
- 55l: ca. 10-14 Tage autark bei leichtem Basisgewicht (< 10kg wie z.B. mit meiner Trekking-Packliste)
- 70l: ca. 18 Tage autark bei leichtem Basisgewicht
Basisgewicht: Gewicht Deiner Ausrüstung ohne Verbrauch
Wenn Du aber z.B. statt einem Daunenschlafsack einen Kunstfaserschlafsack nutzt oder auf Tour frisch kochen willst solltest Du eher einen größeren Trekkingrucksack wählen.
Am besten misst Du also das Volumen Deiner Ausrüstung inkl. aller Verbrauchsgüter für Deine geplanten Touren aus.
Nutzlast und Tragesystem
Das Gewicht der Ausrüstung variiert je nach Tourvorhaben und persönlichem Komfortbedarf. Wichtig ist, dass das Gewicht vom Tragesystem des Trekkingrucksackes immer auf die Hüfte abgeleitet wird und das Gewicht nicht auf den Schultern liegt. In der Regel sind dafür im Rucksack 1-2 Stangen angebracht die das Gewicht auf den Hüftgurt übertragen. Der Hüftgurt muss dabei selbst natürlich auch stabil genug sein um die Last dauerhaft aufnehmen und auf die Hüfte übertragen zu können.
Um die nötige Nutzlast zu ermitteln darfst Du ähnlich wie beim Rurcksackvolumen vorgehen:
- Nehme das Gewicht Deiner Ausrüstung
- Addiere das Gewicht für Verpflegung und Brennstoff
- Addiere das Gewicht für Trinkwasser (mal kann ein halber Liter reichen, mal brauchts mehrere Liter)
- Plane Dir noch ein wenig Sicherheit mit ein
Ob sich ein Rucksack bequem tragen lässt findest Du am einfachsten heraus in dem Du den Rucksack im Fachhandel beladen lässt und ihn dort einige Zeit probe trägst. Ein guter Fachhändler hat dafür Gewichte oder, noch besser, Gewichtssäcke zum Probepacken parat.
Passform
- Rückenlänge (einstellbar, oder fest, dann leichter)
- anatomische Auslegung für das Geschlecht (Männer- und Frauenrucksäcke)
- Lageverstellriemen und Schultergurte einstellbar (Übertragung der Last auf Hüftgurt, Schultergurt stabilisiert nur)
- Stabilität (bei Bergtouren sollte der Rucksack nah am Körper sein)
Optionale Ausstattungsmerkmale
Die Liste der optionalen Ausstattungsmerkmale bei Trekkingsrucksäcken ist lang. Was Du davon wirklich benötigst hängt von Deinen persönlichen Präferenzen ab und treibt das Rucksackgewicht im Zweifel unnötig in die Höhe. Hier nur eine kleine Auswahl möglicher Optionen:
- Zugang (Toploader, Front-Access)
- Schlafsackfach
- gedoppelter oder verstärkter Boden
- wasserabweisendes Gewebe (wasserdichte Rucksäcke sind bisher selten)
- Kompressionsriemen
- höhenverstellbarer Deckel
- Zusatzvolumen durch ausziehbares Hauptfach
- Schlüsselhalterung im Deckelfach
- Trinkblasenhalterung und Trinkschlauchführung
- Regenhülle
- Deckelfach
- Außentaschen
- Brillenhaltung
- Hüftgurttaschen
- Stockhalterung
- Befestigungsmöglichkeit für Tourenausrüstung (z.B. für Schneeshuhe, Tourenski, Isomatte)
Rucksackarten
Streng genommen sind Trekkingrücksäcke eine spezifische Art von Rucksäcken. Das sollte dich aber nicht daran hindern Dich auch bei anderen Rucksacktypen umzusehen. Schließlich sind viele Trekkingrucksäcke voll von unnötigen gewichtssteigernden Optionen. Wildern in anderen Segmenten wie z.B. Tourenrucksäcken ausdrücklich sinnvoll!
Trekkingrucksack
Klassische Trekkingrucksäcke sind oft überdimensioniert und schwer. Jahrelang war ich z.B. sehr zufrieden mit meinem Deuter Aircontact 55+10 Trekkingsrucksack. Er wog 2.450g bevor ich ihn um einige für mich nutzlose Riemen erleichterte und ihn so auf ca. 2.150g brachte. Er war super bequem und robust aber letztlich habe ich all die Einstellungsmöglichkeiten und Fächer und damit letztlich einfach zu viel Gewicht auf jeder Tour tragen dürfen.
Neben den klassischen Trekkingrucksäcken gibt es heute zum Glück immer mehr Rucksäcke wie z.B. meinen nur 1.000g leichten Bergans Helium 55 in leichterer Ausführung. Hier wird auf unnötige Fächer und Funktionen verzichtet sowie ein leichterer Stoff und dünnere, leichtere, Riemen verwendet um das Gewicht zu reduzieren. Im Gegenzug muss man natürlich auf etwas Traglast verzichten.
Charakteristik:
- 50-100l Fassungsvermögen
- für hohe Traglasten ausgelegt
- meist mit abgetrennten Schlafsackfach
- Toploader
- stabiles Tragesystem mit Tragegestell und (ergonomisch geformtem) Hüftgurt
- robust
Standard-Ausstattunsgmerkmale
- große Rucksäcke mit Front Access
- zahlreiche Fächer (Deckelfach innen & außen, Balgtaschen, Frontfach)
- Trinksystemvorbereitung
- Kompressionsriemen
- Befestigungspunkte für zusätzliche Ausrüstung
- Taschen am Hüftgurt
- Seitentaschen
Tourenrucksack
Tourenrucksäcke sind für Touren mit weniger Gepäck (für ca. 1 Woche) und damit weniger Volumen ausgelegt. Dabei richtet sich die Ausstattung an verschiedenen Bergsportarten aus. So gleichen manche Tourenrucksäcke einfach einer kleineren Trekkingrucksack-Version während andere für Hochtouren und zum Klettern extra schlank ausgeführt und mit Daisy Chains für Bergsportausrüstung ausgestattet sind.
Die Tourenrucksäcke im Bild sind eher älterer Bauart. Heute sind Tourenrucksäcke meist deutlich leichter ausgeführt. Für kurze Trekkingtouren oder Touren auf denen regelmäßig Proviant nachgekauft werden kann ist ein Tourenrucksack auch außerhalb der Berge interessant.
Charakteristik
- 25-42 l Fassungsvermögen
- Tragegestell und Hüftgurt
- schlanke Form
- Toploader
- Stockhalterungen
- leicht
- Abriebschutz an besonders beanspruchten Stellen
- leichtes Tragesystem
- gutes körpernaher Sitz, dafür weniger Belüftung
Ausstattungsmerkmale je nach Bergsportart
- Hüttentouren (Taschen am Hüftgurt, Deckelfach, teils mit separatem Bodenfach)
- Hoch- und Klettertouren (schlank, Daisy Chains, Haul Loop, abnehmbare Elemente, Halterung für Eisgeräte)
- Skitouren (Skihalterung, Befestigungsmöglichkeiten für LVS-Ausrüstung)
Ultraleicht-Rucksack
Beim Ultraleicht Trekking geht es ja darum möglichst leicht unterwegs zu sein. Dabei sinkt das nötige Packvolumen und die nötige Traglast für viele Touren drastisch. Das erlaubt es beim Rucksack auf ein aufwändiges und schweres Tragesystem zu verzichten. Zusätzlich wird bei ultraleichten Trekkingrucksäcken natürlich auf alle unnützen gewichtstreibenden Features verzichtet. Bei den Materialien kommen nur die leichtesten Stoffe zum Einsatz.
Charakteristik
- 30-60 l Fassungsvermögen
- kein Tragegestell
- Toploader mit einem einzigen Hauptfach
- kein Belüftungssystem
- Isomatte wird zur Stabilisierung des Rucksackes verwendet
- leichteste Materialien (z.B. Cuben)
- in verschiedenen Rückenlängen erhältlich (kein schweres Einstellungssystem)
Aussattungsmerkmale
- meist große (Mesh-) Außentaschen
- keine Trinksystemvorbereitung
Rucksack-Zubehör
Regenhülle
Eine Regenhülle wird bei vielen Rucksäcken nebst extra Aufbewahrungsfach mitgeliefert und beworben.
Meiner Meinung nach wird eine Regenhülle überbewertet!
Letztlich läuft Dir bei Regen das Wasser trotzdem am Rücken herunter und dann eben hier in den Rucksack. Hülle und Aufbewahrungsfach bringen zudem nochmal Extragewicht mit. Du brauchst also so oder so noch einen Rucksackliner oder wasserdichte Packsäcke um Deine Ausrüstung wirklich wasserdicht zu verpacken.
Einziger Vorteil einer Regenhülle: Der Rucksack saugt weniger Wasser auf und trocknet dementsprechend schneller.
Rucksackliner
Gut, wir haben gerade erfahren dass eine Regenhülle bei einem Wolkenbruch das Rucksackinnere nicht wirklich trocken hält. Also investiere lieber in einen Rucksackliner für Deinen Rucksackinhalt statt in eine Regenhülle.
Wobei investieren eigentlich gar nicht nötig ist. Der günstigste Packliner ist ein stabiler Foliensack wie er oft im Versandhandel verwendet wird. Ansonsten gibt es natürlich auch Packliner mit Rollverschluss zu kaufen. Ich nutze aktuell einen wasserdichten robusten Exped Packliner für Schlafsack, Klamotten und Ausrüstung und einen Folienliner für die Trekkingnahrung.
Packsäcke
Ordnung ist das halbe Leben. Und wer viel dabei hat muss auch viel Ordnung halten. Dazu greift man dann zu Packsäcken. Unzähligen Packsäcken. Doch halt, Stop! Wenn Du so viel dabei hast dass Du viele Packsäcke brauchst dann hast Du vielleicht auch einfach nur zu viel dabei? Ich selbst gönne mir nur noch für das Erste Hilfe Päckchen, wichtige Dokumente und Elektronik einen eigenen Packsack.
Die leichteste und kostengünstigste Variante: ZipLock-Beutel
Ansonsten gibt es natürlich auch verschiedenste farbige Rollverschluss-Beutel. Aber selbst die leichtesten wiegen mehr als Ziplock-Beutel und so mustere ich sie mehr und mehr aus. Aufpassen solltest Du wenn Du die Rollsäcke gleichzeitig als Kompressionssack nutzt. Werden die Nähte zu sehr durch die Kompression gespannt kann hier Wasser eindringen.
Flightcover
Wenn Du mit Deinem Rucksack fliegen willst und ihn sicher vor Beschädigungen durch unsachgemäßes Handling oder durch automatische Gepäckbeförderungsanlagen schützen willst dann bietet sich ein Flightcover an.
In ihm kannst Du den ganzen Rucksack für den Flug verstauen. Nach dem Flug kannst Du das Flightcover dann als Rucksackliner verwenden – zumindest wenn es nicht beschädigt wurde und noch wasserdicht ist.
Mehr zum Thema: Trekkingrucksack im Flugzeug: Wie Du mit Rucksack richtig fliegst
Erfahrungen zur Rucksackauswahl
In mehr als 20 Jahren hatte ich schon einige Rucksäcke im Einsatz. Mit der Zeit habe ich bei der Rucksackauswahl immer mehr darauf geachtet was ich wirklich benötige. Schließlich nutze ich von den vielen Optionen auf Tour selbst eher wenige. Da in der gleichen Zeit auch meine Trekking-Ausrüstung immer leichter wurde konnte ich für viele Touren auch leichtere Rucksäcke in Betracht ziehen. Was mir persönlich bei einem Trekkingrucksack wichtig ist:
- Fassungsvolumen
- Passform
- Rucksackgewicht (ein Rucksack ist kein Selbstzweck, also sollte er nur das nötigste wiegen)
- Riemen am Hüftgurt um eine Kamera zu befestigen
- Schlauchführung und Trinkblasenhalterung
- Stockhalterung für Bergtouren
- Außentaschen für nasse Ausrüstung, Heringe, Zeltgestänge oder Müllbeutel
- Deckelfach für Erste-Hilfe Päckchen und Riegel
- (wenn der Hüftgurt Taschen hat nutze ich sie gerne für Riegel oder Smartphone, sind aber für mich kein Auswahlkriterium)
… alles andere ist „nice to have“ aber nicht wirklich nötig. Überflüssig sind z.B. unzählige Riemen, Daisy Chains und Bänder zur Befestigung von Ausrüstung die du nie dabei haben wirst, unzählige Innenfächer, schwere Belüftungssysteme, Zusatztaschen, extra Polsterungen und viel zu dicker Außenstoff.
Am Ende hängt die Auswahl des passenden Trekkingrucksacks von der Tourart und der benötigten Ausrüstung ab:
- Mit meiner Packliste für Hüttentouren reicht der Osprey Talon 22
- für eine Alpenüberquerung der Deuter Speed Lite 32
- für meine Trekking-Packliste mit Zelt, Kocher, Isomatte, Schlafsack und Co. der Bergans Helium 55 oder der Exped Lightning 60
- Fürs Ultraleicht-Trekking und längere Hüttentouren reicht ebenfalls der Deuter Speedlite 32 (wobei der noch nichtmal ein wirklicher Ultraleicht-Rucksack ist).
Je leichter die Ausrüstung, desto leichter darf auch der Trekkingrucksack sein.
Meine eigene Rucksack-Historie:
Rucksack | Gewicht [g] | Status |
---|---|---|
Deuter Aircontact 70+15 | 3.200 | Lastenträger, selten im Einsatz |
Deuter Aircontact 55+10 | 2.450 | abgespeckt auf 2.150g, 10 Jahre genutzt |
Deuter Futura 42 AC | 1.900 | Tourenrucksack, heute kaum noch genutzt |
Exped Lightning 60 | 1.210 | für große Traglasten (mein aktueller Standard-Trekkingrucksack) |
Bergans Helium 55 | 1.000 | mein früherer Standard-Trekkingrucksack |
Deuter Speed Lite 32 | 870 | für längere Hüttentouren und beim UL-Trekking |
Osprey Talon 22 | 760 | für Tageswanderungen und kurze Hüttentouren |
Fazit: Anleitung zum Rucksack-Kauf
Das Entscheidende beim Trekkingrucksack-Kauf ist dass Du selbst weißt was Du willst. Sonst verirrst Du Dich im Dschungel des riesigen Angebotes. Hier eine kleine Anleitung:
- Reduziere Deine Trekking-Packliste auf das Nötigste. Das ermöglicht Dir Dich bei leichten Rucksäcken umzusehen.
- Grenze Deine Suche auf Deine benötigte Rucksackgröße und die benötigte Traglast ein.
- Überlege Dir welche Ausstattungsmerkmale Dein Rucksack haben soll. Weniger ist dabei mehr. Gehe dazu einfach durch die o.g. Auswahlkriterien.
- Stelle Dir eine Favoritenliste zusammen, lass Dich dabei auch durch erfahrene Trekker beraten. Verkäufer im Laden empfehlen Dir meist nur was sie im eigenen Laden vorrätig haben.
- Informiere Dich in neutralen (werbefreien) Foren, Websites oder Netzwerk-Gruppen über Erfahrungen mit den Rucksäcken
- Sehe Dir die verbliebenen Rucksäcke im Fachhandel an
- Trage Deine Favoriten bei vollem Tourgepäck probe – wenn er sich nicht komfortabel trägt lass besser die Finger von ihm
- Kaufe den Rucksack dort, wo Du ihn probegetragen hast.
Nach den ersten Touren kannst Du Deinen Trekkingrucksack dann noch auf Basis Deiner Erfahrung „pimpen“ und noch ein wenig Gewicht sparen. Dazu kannst Du z.B. nicht benötigte überlange Bänder kürzen und nicht genutzte Befestigungsoptionen für Ausrüstung etc. entfernen. Ich habe bei einem alten klassischen Trekkingrucksack auf diese Weise 300g sparen können!
Der Rucksack ist ein Teil der großen Vier. Hier geht es zu den anderen 3: